Ich sehe, was ich sehen will!

Ich sehe, was ich sehen will!

Am 14. November 2012 startete die Spielvereinigung die Initiative „Gewalt ist kein Spiel“, mit der sie ein „starkes Signal gegen Gewalt setzen“ möchte. Im Folgenden wollen wir vor allem auf die Art und Weise eingehen, wie diese Initiative zu Stande kam und die Hintergründe und Rahmenbedingungen erläutern, die nicht aus dem Blickfeld verschwinden dürfen und die wir massiv kritisieren. Die Initiative darf nicht aus ihren Zusammenhängen gerissen werden und ebenso wenig – wie es der Verein hält – nur aus einer einzigen Perspektive beleuchtet werden.

Die Hintergründe

Seit geraumer Zeit nehmen die Debatten um vermeintliche Sicherheitsprobleme beim Fußball und vor allem einer angeblich immer weiter steigenden Gewalt bei Fußballspielen zu. Dabei wird von verschiedenster Seite – Politik, Massenmedien, Polizei, Verbände und Vereine – teilweise ein Bild kreiert, als befände sich die Nation am Rande des Abgrunds. Wir wollen nicht darüber hinweg täuschen, dass es (Gewalt)Probleme beim Fußball gibt, doch tatsächlich ist der Besuch eines Fußballspieles so sicher wie nie zuvor. Dennoch werden Aussagen wie des Bundesvorsitzenden der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG), der Besuch eines Bundesligaspiels sei lebensgefährlich oder in sogenannten Expertenrunden vorgetragene Meinungen, Ultras seien die Taliban der Fans und bei Choreographien handele es sich um faschistoide Rituale, öffentlichkeitswirksam inszeniert.

In den letzten Wochen sorgte nun ein Papier der DFL und des DFB für Aufsehen. Es handelt sich dabei um das sogenannte Sicherheitskonzept „Sicheres Stadionerlebnis“, welches die Resultate aus dem am 17. Juli 2012 stattgefundenen Sicherheitsgipfel widerspiegeln soll. Eine ausführliche Stellungnahme der aktiven Fangruppierungen der Spielvereinigung Fürth sind auf http://www.horidos.dehttp://www.sportfreunde-ronhof.de oder http://www.stradevia907.de abrufbar.
An dieser Stelle möchten wir die unserer Meinung nach besonders schwerwiegenden und problematischen Aspekte des Papiers kurz hervor heben:

– Entblößen bei Eingangskontrollen
– Abschaffung von Stehplätzen
– kollektiver Ticketentzug
– Verlängerung von Stadionverboten
– Schaffung von parallel existierenden Rechtsräumen

Des Weiteren sind Entwicklungen möglich, die in ihrer konkreten Form noch nicht greifbar sind, jedoch unausweichlich die Menschenrechte einzelner Individuen berühren können. Am 12. Dezember 2012 kommen die Profivereine zusammen und werden über das „Sicherheitskonzept“ beraten und abstimmen.

Treffen zwischen Fans und Vereinsverantwortlichen

Auf Initiative der aktiven Fangruppen des Kleeblatts kam ein Treffen zwischen verschiedenen FanvertreterInnen und Vertretern des Vereins zu Stande, im Rahmen dessen die Meinungen über das Papier ausgetauscht und ausgelotet werden sollten, wie die Verantwortlichen der Spielvereinigung dazu stehen. Interessanterweise wurde auf einem kurz zuvor stattgefundenen Treffen zwischen FanvertreterInnen und Verein von Seiten des Kleeblatts angekündigt, dass an diesem Treffen gemeinsam Standpunkte erarbeitet werden würden.

Hierbei sei angemerkt, dass zu diesem Zeitpunkt bereits mehrere Profivereine Stellung bezogen hatten. Union Berlin fand dabei die aus unserer Sicht passendsten Worte

Die Vertreter der Spielvereinigung nahmen sich die Ausführungen von Union Berlin zwar nicht zum Vorbild, deuteten jedoch an, dass das Papier in seiner aktuellen Form und Gänze nicht zu akzeptieren sei. Von Seiten der FanvertreterInnen wurde deutlich gemacht, dass das Papier abzulehnen sei und es große Gefahren für den Fußball und eine bunte Fankultur birgt.

Im Endeffekt kam die Spielvereinigung ihrer Ankündigung, an diesem Treffen gemeinsame Standpunkte zu erarbeiten zwar nach, war aber nicht an einer offiziellen Positionierung des Vereins interessiert, obwohl an diesem Treffen eine klar ablehnende Haltung seitens aller FanvertreterInnen herrschte. Sie wollen eben nicht auf den Zug aufspringen und wie andere Vereine eine Stellungnahme dazu verfassen.

Die Initiative

Von der Initiative „Gewalt ist kein Spiel“ erfuhren die FanvertreterInnen per Mail am gleichen Tag der offiziellen Veröffentlichung des Vereins auf dessen Homepage. Präsident Helmut Hack wird dabei folgendermaßen zitiert: „Mit unserer Initiative wollen wir ein Zeichen setzen und eine Botschaft geben, dass Verein und Fans gemeinsam an einer wieder positiven Entwicklung arbeiten.“
Die Formulierung „an einer wieder positiven Entwicklung“ stiftet hierbei Verwirrung. Unterstellt diese Wortwahl nicht, dass es bisher keine positive, also eine negative Entwicklung gab? Wir wissen nicht, ob mit der Aussage die generelle Situation in Fußballdeutschland oder die konkrete Situation in Fürth gemeint ist, müssen aber anmerken, dass weder für das eine, noch für das andere, eine negative Entwicklung festzustellen ist. Wir verweisen hier bereits an die am Ende des Textes vermerkten Artikel über die vermeintlich besorgniserregenden Entwicklungen im deutschen Fußball.

Darüber hinaus müssen wir an dieser Stelle betonen, dass an der Ausarbeitung der Initiative kein einziger Fan des Kleeblatts beteiligt war. Der Öffentlichkeit präsentiert sich der Verein jedoch erneut als große, intakte Familie, in der Entscheidungen gemeinsam von Verein und Fans Hand in Hand getroffen werden. Das ist absoluter Unfug und schlichtweg falsch.

Die Profiabteilung des Vereins ist ausgegliedert und fungiert als Spielvereinigung Greuther Fürth GmbH. Co. KGaA und ist oftmals alles andere, als die so oft vorgespielte Kleeblatt Familie. Es handelt sich um ein millionenschweres Unternehmen, welches den Gesetzmäßigkeiten des kapitalistischen Marktes unterworfen ist und mit allerhand Institutionen und Akteuren zusammen arbeiten muss, die kein Interesse an aktiver Fankultur haben. Die Spielvereinigung Greuther Fürth GmbH. Co. KGaA muss innerhalb der gesetzten Rahmenbedingungen schauen, wirtschaftlich profitabel zu arbeiten. Dazu ist sie auf finanzielle Unterstützung anderer Unternehmen angewiesen, das sogenannte Sponsoring.

Nun gibt es im deutschen Profifußball nicht nur das Kleeblatt, sondern jede Menge anderer Vereine, die in der Regel eine weitaus größere Fanbasis besitzen und als populärer und attraktiver als die Spielvereinigung gelten. Die Spielvereinigung muss somit darauf hinarbeiten, sich innerhalb dieser Konkurrenzsituation ein möglichst ansprechendes Image zu schaffen, wodurch sie andere Unternehmen als Sponsor gewinnen kann. Unserer Meinung nach handelt es sich bei der Initiative „Gewalt ist kein Spiel“ um einen Versuch, das Image des Vereins in der Öffentlichkeit und für potente Unternehmen aufzuwerten.

Dafür spricht, dass die Initiative nicht aus der Fanabteilung des Vereins entspringt, sondern aus der Marketingabteilung. Die gesamte Aufmachung ist ein einziger Marketing Clou. Hätte der Verein ein ehrliches Interesse, würde er sich mit seinen Fans auseinandersetzen und den Kontakt zu verschiedenen InteressenvertreterInnen suchen und nicht mit Hilfe einer Marketing Agentur auf Hau Ruck die Initiative aus dem Boden stampfen.

Des Weiteren fragen wir uns, welche Auswirkungen die Initiative auf Personen hat, die nicht sonderlich mit dem Kleeblatt und dessen Umfeld vertraut sind. Die Bildersprache suggeriert, dass bei einem Spielbesuch im Ronhof mit derartigen, filmreifen Szenen gerechnet werden muss. Wehrlose, allein für die Sicherheit und Ordnung sorgende PolizistInnen werden von einer marodierenden Schlägerbande attackiert. Zu was einer Außendarstellung führen diese Bilder? Wie können diese Inhalte von Menschen entworfen werden, die sich eigentlich mit den Zuständen bei Fürther Fußballspielen auskennen sollten?

Die Verantwortlichen bedienen sich zudem einer Rhetorik, die wir eigentlich eher von VertreterInnen der Polizeigewerkschaften, konservativ-bürgerlichen PolitikerInnen, sonstigen Sicherheitsfreaks oder populistischen Schlagzeilen aus der Boulevardpresse gewöhnt sind („Aktuell ist im deutschen Fußball eine besorgniserregende Entwicklung festzustellen. Ausschreitungen, Gewalt, Rassismus und Diskriminierung kehren vermehrt in den Fußballsport zurück.“, „Chaoten gefährden das Familienerlebnis Fußball“, „… dass eine kleine Minderheit an Chaoten den Fußball nicht in ein schlechtes Licht rücken darf.“).
Formulierungen wie diese sind ein Armutszeugnis für einen Verein, der sich auf die Fahne schreibt, gemeinsam mit Fans zu arbeiten und sich für eine bunte Fankultur stark zu machen!

Ein weiterer Aspekt, den wir massiv kritisieren müssen, ist die Art und Weise, wie der Verein „UnterstützerInnen“ der Initiative rekrutiert. Auf der Homepage der Spielvereinigung erscheint zunächst ein Pop Up, mit welchem für die Initiative geworben wird. Informationen sind jedoch rar gesät, denn zu sehen ist allein das sich die Augen zuhaltende Kind, welches die Angriffe von Fans auf PolizistInnen nicht sehen möchte und eine kurze, oberflächliche Beschreibung der Initiative.
Normalerweise sind derartige „Online Unterschriftenlisten“ so aufgebaut, dass zumindest Name und Mailadresse angegeben werden müssen, um immerhin für ein wenig Authentizität und Transparenz zu sorgen. Zudem werden weitere Informationen und Hintergründe aufbereitet, bevor der letzte Schritt zur Unterstützung vollzogen wird. Doch nicht in Fürth. Ein Klick auf „Jetzt Klicken“ genügt und ratze fatz ist mensch als UnterstützerIn registriert.

Zu guter Letzt

Und ja, auch wir sind der Meinung, dass Gewalt kein Spiel ist. Darin ist auch die besondere Fähigkeit der Initiative begründet. Durch strategisch kluge Formulierungen, die Wahl eines quasi nicht bestreitbaren Slogans und einer subtilen Bildersprache, macht sich der Verein nahezu immun gegen Kritik.

Denn: Personen, die sich gegen die Initiative stellen, können des Leichtesten öffentlichkeitswirksam und ohne zu erwartenden breiten Widerspruch als GewaltbefürworterInnen abgetan werden und somit von vornherein aus einer Diskussion ausgeschlossen werden.
Eine Debatte um Hintergründe und verschiedene Aspekte, die in den aktuellen Diskurs hineinspielen, diesen maßgeblich prägen und im Endeffekt auch unreflektierte Kampagnen wie die der Spielvereinigung hervor bringen, wird damit versperrt.

Doch nicht mit uns. Wir sehen an der Initiative und vor allem an deren Rahmenbedingungen und Zustandekommen einen indirekten Affront gegen aktive Fans und Ultras von Seiten des Vereins. Wir können nicht oft genug betonen, welche verheerenden Wirkungen einseitige aktionistische Vorgehensweisen haben, welche nicht auf aktuelle und akute Forderungen wie Abschaffungen der Stehplätze, Entblößen bei Eingangskontrollen, Verlängerung von Stadionverboten, kollektiven Ticketentzug, etc. eingehen.

Durch Initiativen wie diese der Spielvereinigung, werden populistische Forderungen und das ideologische Gedankengut, welches dahinter steckt nicht hinterfragt, sondern nur gefestigt und somit unterstützt. Das Handeln des Vereins gleicht somit einem Schlag in das Gesicht aktiver Fans.

Horidos 1000 im Dezember 2012

http://www.12doppelpunkt12.de/_388/stel … s-bericht/

http://www.sueddeutsche.de/sport/diskus … -1.1522851

http://www.mdr.de/sport/fussball_bl/fans-lange102.html

http://www.block12.de/?p=863

http://fananwaelte.de/Forderungen/Sachl … 606103,8,1

http://www.magascene.de/2012/12/%E2%80% … der-stadt/